Zu Gast im Eversand


Einst wies das Eversand-Oberfeuer den Dampfern aus Übersee  den Weg nach Bremerhaven. Heute gewährt  es als  Leuchtturm-Denkmal in Dorum-Neufeld einen Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt der Leuchtturmwärter des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Hartwig Tepke schlägt die Nebelglocke. Zweimal kurz hintereinander. Nebel ist nicht zu sehen. Stattdessen blauer Himmel und Sonnenschein. Aber der Wind pfeift und reißt an Tepkes Hemd. Ihn stört das nicht weiter. Das sei normal – hoch oben auf der Galerie des ehemaligen  Leuchtturms Oberfeuer Eversand.

 

Ein gutes Jahrhundert stand das Leuchtfeuer auf einer Sandbank draußen im Wurster Watt, leitete viele Jahre die Schiffe sicher nach Bremerhaven. Im März 2003 war das historische Seezeichen aufwendig an die Wurster Nordseeküste versetzt worden, ist heute eine Touristenattraktion unweit des Kutterhafens und Campingplatzes in Dorum-Neufeld.

 

„Mich fasziniert die Geschichte des Leuchtfeuers“, sagt Tepke, der Besucher durch den Turm führt und viele Anekdoten erzählen kann. Er zählt zum Förderverein, der sich um den Erhalt des Baudenkmals kümmert und  eine Ausstellung über die Lebens- und Arbeitswelt der Leuchtturmwärter im ausgehenden 19. Jahrhundert  präsentiert.  Eine  Seebrücke führt zum Leuchtturm  und eine Außentreppe mit 84 Stufen hinauf zur ersten Galerie. Hinter einem schweren  Schott geht es in den ehemaligen Lagerraum. Wo einst  gepökeltes Fleisch, Trinkwasser und Petroleum lagerten, beginnen die halbstündigen Führung durch den Leuchtturm.

Oftmals sind es Touristen aus dem Binnenland, die beim Gedanken an Leuchtfeuer zunächst ein ganz anderes Bild vor Augen hätten: Von runden Türmen mit rot-weißen Streifen. In Dorum-Neufeld bekommen sie das Gegenteil zu sehen. Das Oberfeuer ist eckig, steht auf  einer Stahlkonstruktion. Pechschwarz.  So ließ die Hansestadt Bremen  den Turm einst durch die Werft AG. „Weser“ errichten. 1887 ging er in Betrieb, führte die Schiffe gemeinsam mit dem Eversand-Unterfeuer durch den Wurster Arm, dem damaligen Hauptfahrwasser zwischen Bremerhaven und der Nordsee.

 

Als Bestandteil der Richtfeuerlinie in der Außenweser schlossen die Eversand-Türme eine letzte Lücke. Zum ersten mal konnten die immer größer werdenden Schiffe Bremerhaven auch bei Nacht erreichen. „Das war wichtig, waren die Lloyd-Damper doch an feste Fahrpläne gebunden“, erzählt Tepke.

Der Nutzen war aber nur von kurzer Dauer. 1922 gab man das Leuchtfeuer wieder auf. Die Fahrrinne war versandet, hatte sich durch die Kraft der Gezeiten immer mehr verlagert.

 

Das Eversand-Unterfeuer wurde sich selbst überlassen – und den Kormoranen, die bis heute auf dem Turm nisten und ihn über die Jahre schneeweiß eingefärbt haben. Das Eversand-Oberfeuer aber diente noch bis ins Jahr 2000 als Rettungsturm für Schiffbrüchige.

 

Im Nachhinein war dieser Umstand großes Glück, blieb der Turm so von großen Umbauten verschont und die historische Einrichtung weitgehend erhalten. Eindrucksvoll anzusehen sind  noch heute die kunstvollen Deckenverzierung. Ebenso die Pitchpine-Diele  des Lagerraums.   Flecken vom Petroleum sind noch im Holz zu sehen, Wärter haben es wohl beim Umfüllen verschüttet. Zwei Leuchtfeuerwärter teilten sich  den Dienst auf „Obereversand. Jeweils sechs Wochen lebten und arbeiteten sie auf dem Turm.

Vom Lagerraum aus führt eine Treppe hinauf in die Küche.  Einst Lebensmittelpunkt der Turmbesatzung. Gekocht wurde mit einem Kohleofen, geschlafen wurde in kleinen Kojen. In der dritten Etage liegt das Dienstzimmer – der Schreibtisch zum Fenster ausgerichtet. Arbeiten mit Meerblick. Eine weitere Treppe führt hinauf zum Laternenraum, wo die Wärter das Leuchtfeuer zünden und löschen mussten.

 

Die obere Galerie ist Höhepunkt jeder Führung. Im Sinne des Wortes. Der Turm misst 37,5 Meter über Niedrigwasser. Sogar die Containerbrücken des JadeWeserPorts und Schornsteine der Kraftwerke in Wilhelmshaven sind winzig am Horizont zu erkennen.

So schön die Aussicht auch sein mag, das Leben und die Arbeit  auf engstem Raum war mit vielen Entbehrungen verbunden – vor allem bei Wind und Wetter. Die Toilette befand sich außerhalb des Leuchtturms. Die Wärter mussten erst eine Leiter  hinabsteigen. „Und zweimal am Tag wurde gespült – Gezeiten sei dank“, scherzt Tepke.

 

Text und Fotos: Stephan Giesers

 

 

www.obereversand.de

 

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